Donegal

Donegal – Wo Irland am Schönsten ist

Wo Irland am Schönsten ist, ich weiß, ich sage das dauernd, aber Donegal ist bei mir nicht nur geographisch im Norden sondern auch ganz weit oben bei “mag ich”.

Der County Donegal bildet den Nordwesten der Republik Irland. Das hört sich nicht nur abgelegen an. Das geflügelte Wort von guten Nacht sagenden Kleinsäugern (Fuchs und Hase) wurde geprägt, mit dem County Donegal vor Augen. Zumindest glaube ich das.

Im Nordwesten der Insel läuft Irland zur Höchstform auf. Hier ist das Wetter am Grausigsten, die Leute am irischsten und die Landschaft am Schönsten. Wer nach dem “wahren Irland” sucht – also dem wirklich wahren mit grünen Hügeln, kleinen Cottages und fröhliche Menschen – ist hier bestens aufgehoben.

Impressionen a la Heinrich Böll wird man auch hier vergeblich suchen, auf den Spuren von Lawrence Donegan (In the Middle of Nowhere. Mein Abenteuer in der irischen Provinz.) kann man hier dagegen problemlos wandeln. Donegal wandelt es sich hier allerdings ganz vortrefflich

County Donegal

Der Name der Provinz ist von dem irischen “Dun na nGall” abgeleitet. Das hilft unserem Verständnis erst einmal nicht weiter. Mir wurde aus sicherer Quelle zugetragen, dass ließe sich mit: “Die Festung der Ausländer” übersetzen. Da sind wir wieder etwas schlauer.

Die Hauptattraktion Donegals ist seine landschaftliche Schönheit. Sanfte Hügel, steile Küsten, windzerfetzte Inseln und fantastische Strände, die ihresgleichen suchen; Donegal braucht den Vergleich auch mit anderen irischen Provinzen nicht zu scheuen.

Wenn ich hier mal meine Meinung äußern darf, und das darf ich, sind die Highlights von Donegal und auch in etwa dieser Reihenfolge: Tory Island, Glencolumbcille, Slieve League, der Glenveagh Nationalpark, Malin Head, Donegal Stadt, die Nordwestküste mit den Rosses und Mount Errigal.

Ardara Donegal
Ardara Donegal



Was Donegals Strände angeht, da sage ich mal lieber nichts. Da kommen mir sonst nämlich die Tränen. Das Herz blutet einem bei selbigen, was ich an dieser Stelle auch gern erläutere. Man stelle sich nämlich vor, man kommt so völlig und ganz zufällig an einen in absolut jeder Hinsicht perfekten Strand und dann ist es selbst im Sommer so lausig kalt und nass, dass in der Ferne man Pinguine zu hören vermeint. (Ich weiß, dass man die eher in Richtung Antarktis findet. Es soll nur eine sprachliche Metapher sein, mein Entsetzen über diese Verschwendung feinster Strände durch unsere ansonsten geschätzte Mutter Natur zu artikulieren.) Zum Thema Strand sage ich also nichts, außer dass es absolut perfekte Strände gibt; und nicht wenige.

Weite Teile Donegals sind Teil der sogenannten Gaeltacht; also dem Teil Irlands, wo Irisch bis heute als Umgangssprache erhalten hat. Die bösen Engländer haben in den Jahrhunderten der Besetzung Irisch als eigentlich Landessprache unterdrückt und betrachtet man das Land heute, ist ihnen das recht gut gelungen. Immerhin gibt es bis heute auch eine Gegenbewegung. Man kommt auch in Donegal mit Englisch über die Runden und so grottig, wie die Iren denken, ist ihr Akzent gar nicht. Ein besonders freundliches Nicken erntet in der Gaeltacht, wer sein Guinness in Gaeilge bestellt.

Wo fängt man so einen kurzen Führer an? Über Donegal könnte man ganze Reiseführer schreiben und ohne Anspruch auf Vollzähligkeit. Donegal Stadt werde ich vielleicht mal einen kleinen Absatz im Bereich Städte widmen. Die Hauptstadt bleibt hier also außen vor. Ich fange einfach mal chronologisch an. Damit meine ich den Ort, wo ich das erste Mal Fuß auf donegalesischen Boden setzte.

Glencolumbcille

Der kleine Ort Glencolumbcille liegt ungefähr so westlich, wie es in Irland geht. Wenn man ganz ehrlich ist, gibt es in dem Dorf so rein gar nichts zu sehen. Trotzdem finde ich, dass Glencolumbcille einer der schönsten Orte von ganz Irland ist. Es gibt bestimmt landschaftlich schönere Orte, garantiert auch einsamere und mit hundertprozentiger Sicherheit sonnigere Orte als Glencolumbcille, dem Charme dieser kleinen Perle kann man sich trotzdem kaum entziehen.

Glencolumbcille
Glencolumbcille

Idyllisch gelegen, umrahmt von grünen Hügel, spektakulär steilen Klippen, einem atemberaubenden Sandstrand, gegen den langsam, in aller Ruhe und ungestört die mächtigen Wellen des offenen Atlantiks rollen; es gibt sogar ein kleines Wachtürmchen, damit man als Touri was zu fotografieren hat.

Mit Crazy Mary hat Glencolumbcille zudem die garantiert beknackteste aber auch liebenswerteste Jugendherbergsbetreiberin Irlands (wenn nicht der Welt). Ich war jetzt ein paar Jahre nicht da, aber ich gehe einfach mal davon aus, dass es sie noch gibt. Allein für sie bin ich da immer gern hingefahren. Und um das Bild abzurunden gibt es im Ort zwei lauschige Pubs, in denen sich lustige Dorfmusikanten ein Stelldichein geben. Und meist ist davon nur einer offen (zumindest außerhalb der Saison).

Es ist schwierig zu erklären, aber wer Donegal besucht und Glencolumbcille auslässt, hat, meiner bescheidenen Meinung nach, Donegal nicht gesehen. Wenn nichts anderes ist das Dorf ein idealer Startplatz zu unserem nächsten Stopp: Slieve League.

Slieve League

Dabei handelt es sich um die – und ich sage das bei den Iren immer dazu – angeblich höchsten Klippen Europas. Solche Superlative sind immer mit Vorsicht zu genießen. Meist gibt es da Kleingedrucktes. Ich will aber nicht kleinlich sein.

Slieve League
Slieve League


Zum Parkplatz vor Slieve League führt eine kurvenreiche und enge Straße. Belohnt wird man mit einem atemberaubenden Blick auf die 600 Meter hohen Klippen. Wer die Klippen erwandern möchte, folgt von dort einem schmalen Pfad bis ganz hinauf. Am Anfang ist dieser noch gut ausgetreten und befestigt, am One Man’s Pass verengt sich dieser Weg dann aber drastisch. Zu beiden Seiten fällt die Passage so steil ab, dass es einem schon etwas mulmig werden kann. Für mich Flachländer ist es keine Schande, an dieser Stelle auf allen Vieren zu kriechen.

Die Aussicht entschädigt für die Strapaze, von der schönen Wanderung mal ganz zu schweigen. Unheimlich gerne hätte ich dieses auch mit tollen Fotos untermalt, allerdings hatte ich wieder mal das Glück des Tüchtigen und war vernebelt. Da sag ich lieber nichts zu.

Mount Errigal

Unser nächster Stopp liegt ein ganzes Ende weiter im Norden. Es gibt Ecken und Gegenden unserer Erde, wo unser folgender Kandidat nichts Besonderes oder Außergewöhnliches wäre. Nun sind wir aber nicht in vielen Gegenden, sondern in Irland und da ist es nicht nur ungewöhnlich sondern atemberaubend im Sinne von: Ich glaub mein Hamster jodelt.

Mount Errigal
Mount Errigal


Mount Errigal ist eigentlich nur ein Berg. Der aufmerksame Leser hat dies sicher schon aus dem Namen geschlossen. Allerdings ist es nicht irgendein ein x-beliebiger Berg, sondern ein, zu formulieren fällt es mir schwer, ich sag mal Vulkan. Nun ist es natürlich nicht wirklich ein Vulkan, aber zumindest von Westen geblickt sieht er aus wie einer.

Es ist ein ziemlich perfekter Kegel und mit 752 Metern ist er für irische Verhältnisse ziemlich hoch. Dabei ist er in unmittelbarer Küstennähe und so dicht am Wasser erwartete ich diese Art von Berg eigentlich nicht. Nun ja, es sei denn ich verweile gerade in Neapel und blicke auf den Vesuv. Der bekanntlich ja ein Vulkan ist. Als ich Mount Errigal zum allerersten Mal sah, ich spähte aus dem Fenster meines kleinen hässlichen Automobils, glaubte ich zunächst jedenfalls an eine Halluzination. Solche sind mir normal fremd.

Nun mag natürlich ein Auskenner daherkommen und sagen: Was ist an dem Berg besonders? Für mich wird er immer das kleine Wunder bleiben. Ich finde finde ihn spektakulär und sehr, sehr bergig. Wer Donegal von oben sehen will, dem sei Mount Errigal empfohlen, jedenfalls bei schönem Wetter. Die Sicht vom Mount Everest mag besser sein, “meinen” Berg kann allerdings auch ein Wattwanderer wie ich besteigen, ohne sich zu Tode zu gruseln.

Tory Island

Tory Island ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde und ich meine das nicht nur dahergesagt “besonders”, sondern wirklich besonders besonders. Die Insel liegt noch in Sichtweite vor der irischen Nordküste. Von Bunbeg, wo man aus der Ferne staunen kann, geht auch die Fähre. Ich kann mich für die Abfahrtszeiten nicht verbürgen, soweit ich mich erinnere, gibt es aber mehrere pro Tag. Wer nur einen Tagesausflug plant, nimmt am besten die um 9.30 Uhr. Die Abfahrtszeiten sind vermutlich flexibel, mir also bitte keine Schuld geben, wenn das Boot schon früher ablegt.

Tory Island
Tory Island



Die Bewohner der Insel sind von ganz besonders freundlicher Natur. Sie mögen dem “Festland” gegenüber distanziert sein – es kostete sie einige Mühen, ihre Unabhängigkeit zu bewahren – Besucher sind natürlich aber sehr willkommen. Der König – und das ist kein Insiderwitz, sondern wortwörtlich zu verstehen – begrüßt jeden einzelnen Gast persönlich am Hafen. So etwas gibt es auf Tory tatsächlich; einen König.

Nun ist er natürlich kein normaler König. Inselregenten werden gewählt und zwar vom Inselvolk. Um den Job zu kriegen, bedarf es ausgefallener Qualitäten. Wenn ich das jetzt nicht durcheinander bringe, heißt der amtierende Regent Patsy Dan Rodgers und er hat das Zeug.

Historisch gründet sich die Königswahl übrigens auf folgende Anekdote: Der Legende nach soll der Heilige St. Columbcille auf der Insel ein Kloster errichtet haben. Dabei half ihm ein gewisser Duggan und zwar völlig uneigennützig. Aus Dankbarkeit machte der Heilige den jungen Mann zum König von Tory. Ob es so war, wissen wir nicht, aber die Tradition wird bis zum heutigen Tag gepflegt.

Was braucht es, um König von Tory zu werden? Man sollte man ein guter Geschichtenerzähler sein, musikalisches Talent haben, wenn man dann auch noch passionierter Maler ist, steht einer Karriere als Inselkönig nichts mehr im Wege. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es: Steuern eintreiben darf man nicht. Finanziell lukrativ ist der Job also nicht. König von Tory ist man aus Leidenschaft.

Die Insel selber ist ein Kleinod. Knapp vier Kilometer lang und maximal zweieinhalb Kilometer schmal, ist die Insel geprägt von Wiesen, Mooren und jeder Menge Küste. Es ist der ideale Ort, mal so richtig die Seele baumeln zu lassen.

Durchbrochen wird die Stille am Samstagabend. Wenn Patsy zum Tanz aufspielt, steppt im Ort der Bär. Das war mir dann aber doch zu hektisch. Da kann ich ja auch gleich in Dublin bleiben.

Nachtrag: Mittlerweile habe ich zu Tory Island auch einen etwas ausführlicheren Artikel verfasst.

Glenveagh Nationalpark

Über den Glenveagh Nationalpark möchte ich nicht so viele Worte verlieren. Er liegt im Herzen der Provinz und erstreckt sich im Wesentlichen um den Lough Beagh. Highlight ist ein kleines Castle. Daneben erfreut man sich an der unberührten Natur.

Ich bin weder Florologe noch Faunologe, sprich habe keine Ahnung. Für mich sieht es aus wie Hochmoor. Das kann aber auch falsch sein und daran liegen, dass ich im Spätherbst da war. Das groß angekündigte Rotwild habe ich nicht gesehen, dafür wimmelte es von was ganz anderem.

Glenveagh
Glenveagh National Park



Die Rede ist von den sogenannten Midges, einer lokalen und ganz besonders boshaften Unterart der Gattung Moskitus penetrantus. Ich rede von Mücken.

Im Herbst war es grausam, was sich da im Sommer abspielt, will ich gar nicht wissen. Ich kann nur jedem eindringlich raten, einen Eimer Autan mitzunehmen. Sonst wird es bitter.

Gefällig ist auch die nähere Umgebung des Parks. Zwischen grünen Hügel versteckt, sieht man immer wieder bezaubernde kleine Loughs (also Seen).

Fast ständig wird der Reisende mit auffälligen braunen Schildern auf tolle Sehenswürdigkeiten hingewiesen. Dem bin ich normal nicht abgeneigt, die dann auch zu finden, erwies sich oft allerdings als schwierig. Vielleicht habe ich mich auch nur doof angestellt. Wer Donegal genießen will, muss viel Zeit und ein Auto oder ganz viel Zeit und Wanderstiefel mitbringen. Es lohnt sich!

Meckerecke

Meckern muss sein! Sagt meine Freundin jedenfalls. Da ich der auf keinen Fall widersprechen möchte, weil sonst kriege ich Mecker, hier noch ein paar mahnende Worte an den County Donegal.

Ardara Beach
Ardara Beach

Folgende Situation: Meiner einer schlendert, ahnungslos und weitgehend unschuldig, wie ich so bin, durch die Heide. Es ist ein wunderschöner irischer Sommertag, was übersetzt so viel bedeutet wie: Es ist bedeckt, trocken, gefühlte 12 Grad, eine steife Brise weht. Man kommt an eine Düne und denkt sich nichts dabei. Man ersteigt sie, so wie man schon unzählige Dünen zuvor erstiegen hat und vor einem liegt … ein perfekter Strand. Gibt es etwas Ärgerlicheres?

Ein unberührter Strand, endlos lang, feinster weißer Sand, lange, in jeder Hinsicht perfekt Surfwellen, im Hintergrund die grünen Hügel Donegals. Man selbst steht nur doof rum und friert sich trotz Jacke und Handschuhen den Schniedel ab.

Bei aller Zuneigung für die Grüne Insel, in so einem Moment hasse ich Irland. In einer zivilisierten Gegend würde man seine Sachen runterreißen, am Strand Purzelbäume schlagen und sich in die Wellen stürzen. Man könnte tausend lustige Sachen machen an so einem Strand. Nahe Ardara – und das ist jetzt nur ein willkürlich gewähltes Beispiel – ist man einfach nur traurig, friert leise vor sich hin und wünscht, man wäre in Thailand.

Ansonsten habe ich an Donegal nichts auszusetzen. Das sagt wohl alles.